rezensionen

„Häufig wird die Zeichnung als unmittelbarstes aller künstlerischen Medien der Übersetzung intellektueller Auseinandersetzung, reflektierter Wahrnehmung und Gestaltwerdung geistiger Prozesse bezeichnet. Und in der Tat manifestiert sich in den ersten zeichnerischen Setzungen von Linien, Punkten und Formen auf der Fläche eines weißen Papiers oder einer vorbereiteten Leinwand derjenige Grundkonflikt künstlerischer Arbeit, den Claudia Annette Maier einmal als chirurgischen Eingriff bezeichnete.

Dieser verletzt gleichermaßen einen Körper, wie er ihn neu entstehen lässt. Das Zeichnen auf weißem Grund zerstört den intakten Bildraum, um ihn im gleichen Augenblick neu zu strukturieren, ihm eine Gestalt zu geben, die sich als Ergebnis jenes Reflexionsprozesses artikuliert, den der Geist im Gegenüber zum Raum vollzieht. Und so sind die wenigen Striche und oftmals äußerst reduzierten Setzungen in vielen Arbeiten der Künstlerin sehr bewusst vollzogene Eingriffe am Körper des Papiers oder der Leinwand. Sie rufen als abstrakte Linien oder erkennbare Motive eine Auseinandersetzung mit Themen und Inhalten bei den Betrachtenden ab und fordern nicht selten eine Fortschreibung und Vervollkommnung des vage Angedeuteten und nur rudimentär Anwesenden in der Fantasie. […]“

Dr. Ralf F. Hartmann, 2012